Ein Bild von Ferragudo

Wir sitzen im Cockpit und genießen unser Abendessen. Schweinefilet in Zwiebelsahnesauce aus dem Ofen. Absolut köstlich und lange nicht mehr gehabt. Dazu gibt es Semmelknödel. Die habe ich im Februar noch aus Deutschland mitgebracht. Es gibt sie hier nicht. Obwohl die Abendsonne noch wärmt, ist der Nordwest schon wieder empfindlich frisch und unter unserem Sonnensegel wird es kühler. Nur Barbara kämpft noch mit den Sonnenstrahlen, die unter der Persenning unterdurchrutschen und ihr ins Gesicht stehen.

Mittlerweile ist der Zauber schon fast vorüber und ich muss mich beeilen, die Bilder noch wieder zu geben.

Mein Blick fällt auf die andere Seite. Nach Osten, wo heute Abend auch der Wind hinweht. Über den Arade hinweg auf die Felskante von Ferragudo. So heißt der Landstreifen auf der östlichen Seite des Fluss und es ist auch der Name von dem kleinen Fischerdorf etwa 3 Kilometer Flussaufwärts. Den Fluss selbst kann ich nicht sehen. Die Aussenmole der Marina versperrt die Sicht. Aber aus der Erinnerung heraus weiss ich, dass er in einem matten gelbgrün schimmert. Der sandige Bode im Fluss ist der Grund für ein etwas trübes Wasser, in dem man etwa zwei Meter tief, den Grund aber nicht sehen kann. Wir haben auflaufendes Wasser. Denn trotz des doch kräftige Wind zeigen die Yachten auf dem Ankerfeld mit ihrem Bug nach Südwesten. Sie stehen also fast quer zum Strom. Einige Masten strecken sich bis über die hohe Felskante hinaus in den noch blauen Himmel.

Die Felskante ist nicht durchgehend. Sie wird unterbrochen von dunkelgrünen Hängen, die sich bis an den Srand, den ich ebenfalls nicht sehen kann, hinunter. In hellen Sandfarben über Ocker bis zu dunklem Rostrot leuchten die Felsen in der Abendsonne. Die Farben erinnern mich ein wenig an Helgoland. Genauso schroff. Genauso leuchtend. Auch die senkrecht laufenden dunklen Schatten, die durch Absätze und Felsspalten hervorgerufen werden stimmen mit meinem Bild bei der Ansteuerung unserer Insel in der Nordsee überein. Über der Felskante liegt noch ein Streifen von dunklem satten grün. Teilweise Gebüsch, teils auch höhere Bäume. Ich sehe die dunklen Stämme, die sich von dem Schwarz dazwischen abheben. Von der Art habe ich keine Ahnung. Teilweise kann ich einzelne Palmen identifzieren und in einigen gepflegten Gärten stehen Zypressen, die noch weit in den Himmel ragen um auf sich aufmerksam zu machen. Ganz links aussen im Süden beginnen die menschlichen Anzeichen mit dem alten und dem neuen Leuchtturm von Portimao. Der alte ist in klassischer Bauweise gehalten. Ein weißes, beihnahe kirchenähnliches Haus mit einer Kuppel und einem Dach in Orangerot. Dabei kommt mir der Gedanke, ob die Bauweise vielleicht gar nicht zufällig an eine Kirche erinnert. Der Leuchturm steht ja auch für Sicherheit, Heimkehr und Hoffnung. Der neue Turm ist natürlich viel höher und aus schlichtem Beton. Wir waren im Frühjahr auf einem Ausflug da. Darum weiss ich, dass er zumindest an den unteren Mauern bunt mit Fischen bemalt ist. Modern, aber eindeutig Portugiesisch. Auf der ersten Felskante beginnen dann einige wenige Häuser. Ganz sicher auch Apartements. Aber sehr dezent mit zwei maximal drei Geschossen und überhaupt nicht mit der Westseite, Portimao zu vergleichen, wo wir gleich am ersten Tag von Hotelburgen und Hochhausvierteln erschlagen wurden. Mittlerweile haben wir uns an den Anblick der Apartementparks gewöhnt, wenn wir zum Einkaufe in das alte Zentrum dort hindurchfahren müssen. Wenn wir an der Küste entlangsegeln oder als wir noch vor dem Fischerort Ferragudo vor Anker gelegen haben, sah es fast aus wie die Skyline einer amerikanischen Großstadt. Zurück zu den Villen auf Ferragudo. Denn so sehen sie aus. Wie alte Landsitze oder kleine Paläste. Die Mauern ebenfalls in weiss, allenfalls mal in einem zarten, hellen ocker gehalten, werden sich von seichten Dächern geschützt, die mir in hellroten Ziegelnt entgegenleuchten. Paläste ist ein guter Vergleich, denn die Fensterfronten sehen aus wie ein Serail. Ich stelle mir vor, wie dort leichte Stoffe vor den Fenster hängen und durch den Wind in der Luft schweben wie Seide an der Haut. Und dahinter? Tatsächlich sind viele Gebäude in maurischem Stil gehalten. Kleine Türmchen schmücken die Dächer. An einer Front sind Säulen zu sehen und der Anblick läßt mich an Arkaden denken, unter den man am Abend in der Untergehenden Sonne, nach einem guten Abendessen, einen letzten Espresso oder auch einen schweren Rotwein geniessen kann.




Ein Jahr an Bord

Heute vor einem Jahr sind wir auf unsere Hanapha gezogen. Ein Jahr in einem neuen zu Hause. Der letzte Slip Termin bei Peter Knief in Harburg, unserem Heimathafen seit 1998. Lange hatten wir diesen Umzug geplant. Immer begleitet von Träumen, Sehnsucht und auch Hindernissen.  22 Jahre haben wir gemeinsam Hanapha ausgebaut, überholt und renoviert. Fertig ist sie bis heute nicht.

Unser erstes Jahr war spannend. Nach Helgoland begaben wir uns in neue und uns unbekannte Gewässer. Die Ost- und West-friesischen Inseln, der englische Kanal, die Kanalinseln, Biskaya und die Westküste Europas. Jedes Seegebiet mit seinen besonderen Eigenheiten. Keines wie das vorhergehende und immer neue Herausforderungen an uns und das Schiff. Wir haben tolle Nächte auf See erlebt. Allein, während der andere schlief. Möglich hat das ganz sicher auch das Wetter gemacht, welches uns fast immer gut gesonnen war.

Was hat sich für uns geändert? Unser Leben hat sich verändert. Barbara hat aufgehört zu arbeiten und musste damit zurecht kommen. Ich habe die Woche im „Boatoffice“ gesessen; Auch eine neue Erfahrung. An diese Situation mussten wir uns auch erst einmal gewöhnen. Nach einem Jahr ist das Leben an Bord fast wieder Routine. Ein normaler Alltag. Zumindest solange wie wir hier fest sitzen.

Wir hoffen das wir später im Jahr doch noch ein paar unserer Pläne für dieses Jahr umsetzten können. „Auf zu alten Ufern“ – an vielen Orten,  die wir endlich auf eigenem Kiel besuchen wollen, waren wir schon in Urlauben. Egal ob Pauschal oder per Charterboot. Einer dieser Träume ist zum Beispiel die „Cala Figuera“ auf Mallorca, oder auch der Naturhafen auf der südlich gelegenen Insel Cabrera.

Im Augenblick kommen wir uns aber eher vor als würde die Zeit still stehen. Wir sind überwiegend zu Hause. Unser Boot ist unser zu Hause.

gefangen in einer Zeitblase




Einstieg in die Rente

unser erstes langes Wochenende liegt fast hinter uns. Seit dem 1. April habe ich die Arbeitszeit auf drei Tage reduziert. Drei Tage arbeiten, vier Tage frei muss einfach wunderbar sein. Aber das hatten wir uns ganz anders vorgestellt. Es ist auch das erste Wochenende, an dem wir Portimao eigentlich verlassen wollten. Im Januar und Februar haben wir Pläne gemacht und von schönen Ankerbuchten auf den Balearen, an der südfranzösischen Küste und Korsika geträumt. Alle nötigen Seekarten und Hafenhandbücher liegen jetzt im Schapp und stauben ein. Wie es dieses Jahr nun wirklich wird, wissen wir nicht. Wir sitzen fest. Dabei kann uns eigentlich niemand hindern die Leinen los zu werfen und hinauszusegeln. Nur wohin? Alle Häfen, nicht nur in Europa, sind geschlossen. Bei Ankunft entweder für ungewisse Zeit in Quarantäne oder gleich mit „Gewalt“ zur Umkehr gezwungen.
Wir dürfen aber auch nicht vergessen, dass es uns hier noch wirklich sehr gut geht. Der Strand ist zwar geschlossen, aber wir können uns bewegen. Die Lebensmittel sind bisher bis auf minimale Einschränkungen vorhanden. Vor allem ist es still.

Es ist grau heute morgen. Wie die letzten Tage auch. Scheinbar hält sich auch das Wetter an die Regeln niemanden zu animieren hinauszugehen. „Bleibt zu Hause – Rettet Leben“, steht in Englisch und Portugiesisch an allen Absperrungen. Ich bin auf dem morgendlichen Weg zu den Duschen. Drüben in Ferragudo kräht ein Hahn, einige Möwen kreischen und die allgegenwärtige Brandung des Atlantik rauscht; Nie endend, immer präsent. Noch vor ein paar Wochen war hier um dieses Zeit schon „menschliches Leben“. Jogger, Walker, Angler auf der Mole. Und jetzt. Ab und zu mal ein Hund mit Anhang – ansonsten alles wie ausgestorben.

fast eine Endzeitstimmung.




A Coruña

Wir sind überwältigt. Wir stehen auf der „Praza de Maria Pita„. Ein großer zentraler Platz in der Altstadt. Eine große Bühne ist aufgebaut und das Symphonie Orchester Galiciens probt für den morgigen Abend. Es ist eine grandiose Kulisse von Bauten, deren Stil wir nicht identifizieren können. Überhaupt ist die ganze Stadt durchzogen von Fronten mit kleinen weißen Fenstervorbauten. Dazwischen immer wieder maurische Akzente. Sehr alte Kirchenmauern, mit kleinen Plätzen davor, lockern die Stadt ebenso auf wie kleine und größere Parkanlagen. Nicht so elegant geschnitten wie der Park in Cadiz, aber sie kommen dem sehr nahe. Die Stadt pulsiert voll Leben.

 

 

Wir setzen uns am Rand der Praza in die „Bar Atlantico“, bestellen uns etwas zu trinken und lauschen den Proben. Es ist unbeschreiblich schön. Die Luft, die Umgebung und natürlich die Musik. Später suchen wir uns in den engen Gassen ein Restaurant aus. Man sitzt an Tischen, an hölzernen Bistrotischen auf Barhockern oder man steht an alten Weinfässern. Wir bestellen Calamaris, Sardinen und Vino. Heute ist Brückentag und die Tische sind fast alle reserviert. Einen freien Tisch haben wir noch ergattert. Wir haben den Eindruck ganz Galicien ist hier mit Kind und Kegel auf den Beinen.

 

 

Auf dem Rückweg entdecken wir eine kleine Konditorei, die so köstliche kleine Küchlein anbietet, dass Barbara nicht widerstehen kann. Mürbeteig, weisse Schokocreme und eine Krone aus Himbeeren. Das ganze bildet mit einem guten Schluck Brandy den Abschluss des tollen Abend in unserem Cockpit.

 




Cuxhaven

Das Wetter und vor allem der Wind werden toll. Die ganze Woche haben wir die Grib Files beobachtet. Und es war klar, dass wir den Sonntag für unsere Fahrt nach Cuxhaven nutzen wollen. Die Tide ist zwar bescheiden, aber bei „Schiebewind“ von achtern ist das egal.

Um 8:00 Uhr, schon knapp vier Stunden nach Hochwasser in Wedel, laufen wir aus und setzen 10 Minuten später erst einmal nur die Genua. Wir wollen ja in Ruhe frühstücken. Autopilot an und dann machen wir es uns im Cockpit gemütlich. Kurz hinter Wedel kommt uns dann ein Segler entgegen und grüßt freundlich. Als er dann dreht und auf uns zuhält sind wir gespannt. Er wünscht uns eine gute Reise mit dem Kommentar „Das könne ja nur einer sein“. An der Stimme habe ich dann unseren Hausarzt erkannt, der mit seiner „Clara“ unterwegs war. Ein weiterer schöner Abschiedsgruß!

Der Wind ist etwas weniger als erwartet und nach dem der Strom kentert, machen wir zeitweise nur noch 1Kn Fahrt. Egal – heute haben wir Zeit. Geplant haben wir ca. 10h aus denen letzlich 11h wurden.

Kurz vor dem Abendniedrigwasser erreichen wir Cuxhaven mit einer enormen Strömung von teilweise über 4Kn.

Wir sind gut angekommen und werden hier noch einmal 2-3 Wochen zum Schrauben verbringen. Für die Nordsee ist immer noch viel – sehr viel – zu tun. Außerdem ruft das Büro am Montag früh.

 




Abschied

und dann drehen wir plötzlich eine Pirouette. Die kleine Barkasse hat es uns vorgemacht. Da habe ich noch geglaubt, der Kapitän will seinen Gästen ein besonderes Schauspiel zeigen. Am Anleger vom Kraftwerk Moorburg versuchen drei Schlepper mit geballter Kraft einen Frachter an die Pier zu drücken. Dabei entsteht ein solcher Strom quer zur Elbe bis ans andere Ufer. Ohne etwas unternehmen zu können werden wir um die eigene Achse gedreht und habe Mühe aus dem Sog wieder herauszukommen. Wir rufen die Kattwykbrücke erneut und melden, dass wir nicht durchkommen und er die 16:00 Brücke nicht aufmachen braucht. Wir dürfen später mit den Schleppern zusammen raus. Für uns das „Tor zur Welt“!

Doch wir wollen noch ein paar schöne Stunden zurückblicken.

Freitag, 31. Mai 2019 – unser letzter Tag vor unserer Reise. Pünktlich 24 Stunden vor Auslaufen heißen wir den „blauen Peter“. Alle Lieferanten und Gläubiger müssen jetzt ihre Rechnungen präsentieren. Von Peter Knief erhalten wir nach 21 Jahren unsere Abschlussrechnung, die sofort aus der Bordkasse beglichen wird. Unser Segelmacher hat´s wohl vergessen oder hatte kein Fernglas.

Am Samstag morgen beginnen wir in aller Frühe das Schiff auf den Abschied und die erste Fahrt vorzubereiten. Das Deck wird geschrubbt und alle Leinen klar gemacht. Die Getränke kalt gelegt. Zum Schluss verewigen wir uns auf dem Sockel der Steglaterne neben der „Big Foot“, die uns zwei Jahre voraus ist. Um 12:30 verholen wir unsere „Hanapha“ an den großen Schwimmsteg. Dort haben mehr Leute Platz ohne gleich ins Wasser zu fallen. Um kurz nach 13:00 kommen die ersten Abschiedsgäste. Freunde, Verwandt und Bekannte trinken mit uns ein letztes Glas auf den Abschied von Hamburg. Um 15:00 läuten wir die Schiffsglocke auf das letzte Glas und „Gäste von Bord“. Wir starten die Maschine. Eine letzte Umarmung, ein letzter Gruß, und dann legen wir ab. Einen Raketenangriff von Rudi müssen wir noch abwehren. Sie hat zwar eingeschlagen, konnte aber kein Loch hinterlassen – wir schwimmen noch. Begleitet werden wir bis zur Kattwykbrücke von der „Bella Strega“ und der „Maggens Bay“.

Um 15:40 melden wir uns bei der Brücke über Funk an. Und dann . . . (s.o.)

Wir kommen mit ca. 20 Minuten Verspätung in Wedel an. Alles ist gut gegangen.

Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt – wir haben ihn getan.